Die ersten Eindrücke der Generation 22/23

21.8.2022
Hi,
Ich bin Moritz, 19 Jahre jung und einer der insgesamt zwei neuen Freiwilligen aus dem
Projekt Obiya Palaro (Uganda). Wenn ihr weiter interessiert an uns seid, könnt ihr euch
unter dem Punkt ,,über uns“ weitere Infos einholen.
Zum Anfang dieses ersten Blogeintrags möchte ich vorher noch einen wichtigen Punkt
loswerden. Die Berichterstattung ist bei solchen Blogs immer ein heikles Thema, da es
doch komplexer ist, als man meistens im ersten Moment annimmt. Es sollte immer versucht
werden, eine gute Mischung aus der neutralen Perspektive und individuellen Eindrücken zu
schaffen. Da wir Freiwilligen aus höchst privilegierten Lebenslangen kommen, kann es sein,
dass fremde/ andere Eindrücke als irritierend, falsch oder minderwertig eingestuft werden
können. Besonders in ärmeren Einsatzländern, wie Uganda, treffen wir Freiwillige auf
komplett andere Lebenslagen. Eine neue Kultur, eine neue Gesellschaft, neue Menschen
und unser gewohntes Umfeld haben wir ca. 6000 km zurückgelassen.
Deshalb möchte ich besonders betonen, dass ich in diesem Blog meine individuellen
Eindrücke wiedergebe. Ich versuche so gut es geht neutral zu bleiben, mich ständig zu
reflektieren und Erfahrungen sachlich zu schildern.
Außerdem möchte ich anmerken, dass man auf keinen Fall „Afrika“ als Kontinent und Uganda
als klitzekleinen Ausschnitt über einen Kamm scheren sollte. Jedes Land ist individuell und
es gibt große Unterschiede zwischen den eigenen Ländern. So wie bei Europa, zwischen
Deutschland und der Türkei. Der Alltag ist größtenteils einfach nicht vergleichbar.
Trotzdem fange ich jetzt einfach mal an, versuche mich aber auch kontinuierlich zu
verbessern.
Ich sitze gerade im Iron Donkey Café/ Café Punda und schreibe das erste Mal einen Teil
unseres Blogs. Wir (Marie und ich) sind seit 2 Wochen hier in Uganda (Obiya Palaro) und
die Eingewöhnungsphase ist im vollen Gange. Zwei der Ehemaligen der Generation 2021/22,
Gesche und Julia, haben uns erfolgreich eingeführt und uns nach den ersten zwei Wochen
verlassen, jetzt sind wir auf uns alleine gestellt. Danke nochmal an euch beide :).
Die ersten zwei Wochen waren echt aufregend und schön, doch jetzt geht es bald richtig los.
Ich bin gespannt, wie sich alles entwickeln wird.
Die Hinreise war schon anstrengend, aber deutlich besser als gedacht. Nur mit einer
Körpergröße von ca. 196 gestaltet sich eine Reise nie leicht. Generell muss man sich auf
sehr lange Reisen einstellen. Eine Reise zum Nachbar-Projekt kann schon mal über 8
Stunden dauern. Doch wir Menschen sind Gewohnheitstiere und durch die vielen Eindrücke bei den Fahrten geht auch die längste Reise vorbei.
Wir wurden sehr herzlich von Steven und Annette (Ehepaar und Leiter des Nakaseke-
Projekts gleichzeitig) aufgenommen, doch die „Uganda-Time“ ist uns schon hier das erste Mal
begegnet. ,,Wir (die ugandischen Einwohner) leben nicht mit der Uhr, sondern nach der
Zeit“, sagte uns letztens ein Einwohner. Wenn man etwas planen will, wird es entweder
vergessen, verschoben, abgesagt oder plötzlich und unvorbereitet, am besten so schnell wie
möglich gemacht. Also haben wir nicht viel Zeit mit den beiden anderen Freiwilligen (Judith
und Samira) aus Nakaseke verbracht, sondern wurden direkt weiter gefahren.
Also begann die erste heikle und holprige Fahrt.

Die Herzlichkeit, Offenheit und Fröhlichkeit ist hier niemandem abzuschreiben. Man wird
nicht nur von ganz vielen Leuten zu sich nach Hause eingeladen, sondern es wird noch groß
an Essen und hervorragenden Säften aufgetischt. Ich versuche meist mit Demut zu
reagieren, da es nicht selbstverständlich ist und auch ärmere Personen ein neues Gesicht
immer herzlich einladen.
Die Schüler haben Ferien und wirklich viel ist aktuell nicht möglich, doch mir persönlich
gefällt das ganz gut. Das Einleben/ die Umstellung an das neue Umfeld ist so deutlich
entspannter und man muss sich nicht neben der körperlichen und psychischen Umstellung
um Klassen mit ca. 40-80 Kindern kümmern.
Ab dem 5.9 sollen dann bis zu 1000 Kinder auf dem ,,Compound“ rumlaufen, spielen, lernen
und einfach Spaß haben. Doch ,,einfach Spaß haben“ ist hier meist anders gedeutet als in
Deutschland. Selbst kleine Projekte, wie ein neues Nähprojekt (siehe Eintrag zu ,,Key-Tenge“), verwandeln sich schnell zur Pflicht und Leistungsorientierung . Es ist also nicht immer
leicht, mit den Ansprechpartnern auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Die Vorbereitungsseminare waren echt wichtig, aber trotzdem bin ich mit weitaus anderen
Erwartungen und Vorstellungen in dieses FSJ gegangen. Der Kulturschock war wohl
deutlich geringer als erwartet, aber für ein Jahr (fast) alleine auf einem anderen Kontinent zu
leben fühlt sich immer noch surreal an. Wirklich hier zu sein kann man erst nachempfinden,
wenn man schlussendlich angekommen ist.
Man wird von 99% der Menschen angeguckt und teils angestarrt. Daran gewöhnen konnte
ich mich auch nach 2 Wochen nicht und ich weiß auch nicht, ob das irgendwann so kommen
wird. Wir die ,,Mzungus“ (Europäer) stechen aus bekannten Gründen einfach heraus. Mir ist
aufgefallen, dass nicht nur Bekannte und ich Vorurteile gegenüber Uganda und den
Menschen haben, sondern es auch viele Vorurteile gegenüber uns gibt. Oftmals wird man als weiße Person schnell mit viel Geld in Verbindung gebracht. Im Kontrast kann das überwiegend auch stimmen,
aber nur teils. Ich habe das Gefühl, dass es hier besonders viel um Geld geht, doch in
welchem Teil der Erde ist das nicht so und persönlich würden die meisten wahrscheinlich
ähnlich handeln ?!
Klassische alte Ansichten stellten sich schnell als falsch heraus. Es gibt auch (sehr)
wohlhabende Menschen und es leben nicht alle in irgendwelchen kleinen Hütten am Rande
der Wüste. Klar gibt es dies auch, aber Uganda ist grün, hat wunderschöne Landschaften
und so gut wie alle Menschen kommen auch mit einfacheren Mitteln super zu Recht.
Erst letztens habe ich einen Mann gesehen, welcher sich aus einem Fahrrad, der
zugehörigen Kette und einer Metallscheibe seine eigenen Flex gebaut hat. Die meisten
Menschen kommen hier super gut klar und machen das Beste auch aus einfachen Mitteln.
Hier ist Kreativität gefragt, aber wirkliche Beschwerden vernehme ich, Stand jetzt, nicht.


Trotzdem möchte ich nichts beschönigen. Es ist leider so, dass Uganda ein armes Land ist
und auf Platz 19 der Länder nach der Armutsquote liegt (Länder sind sortiert nach Anteil der
Personen, die in absoluter Armut leben (unter 1,90 Dollar pro Tag in lokaler Kaufkraft) zum
letzten ermittelbaren Zeitpunkt (hier 2016)).
Die Daten stammen von der ,,Weltbank“.
Themen wie Umweltschutz, Gleichberechtigung oder Digitalisierung können hier gar nicht
immer in einem angemessenen Umfang behandelt werden. Die kollektiven Diskussionen
entstehen nach meinem Gefühl eher selten, weil viele Personen versuchen, sich erstmal um
ihr eigenes Leben zu kümmern. Es muss versucht werden, die Ungerechtigkeit der
Weltbevölkerung zu minimieren, damit es überhaupt zu einem sinnvollen und konstruktiven Austausch, über die o.g., Themen, kommt. Besonders die Einwohnerzahl einiger
afrikanischer Länder nimmt drastisch zu. Bspw. liegt das Durchschnittsalter in Uganda bei
nur ca. 16 Jahren (stand 2021).
Zum Beispiel hat uns letztens ein Priester erzählt, dass er 18 Geschwister habe.
Unglaublich und unvorstellbar zugleich.


Mir fällt jeden Tag mehr und mehr auf, wie privilegiert wir doch in Deutschland sind. Es wird
sich über zu schlechtes WLAN, ein zu altes Handy oder Mangel an Markenklamotten
beschwert, aber als ich letztens auf meine kleine weiße Box (meine Kopfhörer)
angesprochen wurde, war es schon komisch das Prinzip ,,Bluetooth“ zu erklären. Auch als
ich auf mein Flüssig-Shampoo angesprochen wurde, konnte ich mir einen Schmunzler nicht
verkneifen.
Die Personen haben zwar einen ganz anderen Lebensstandard, aber sie sind trotzdem oft
fröhlicher als die meisten Deutschen, die ich kenne. Auch wenn man von einem ,,Boda“
gefahren wird (Mofas als ÖPNV), gibt es zich Menschen, die einen einfach grüßen,
anlächeln oder zu winken. Anonymität ist hier eher gering, was aber logischerweise an
unserer Hautfarbe liegt, doch unfreundlich ist bis jetzt niemand.


Ein Abendessen ohne Lachkrampf ist hier nicht vorstellbar. Vorher und Nachher wird
gebetet und generell ist die Kirche sehr präsent. Sogar gestern, vor einer sechsstündigen
Busfahrt, hat spontan eine Schwester für uns und eine gute Reise gebetet. Jeden Sonntag
um 7 Uhr in die englische Messe und gefühlt gibt es noch mindestens 1 Mal wöchentlich
eine extra Messe, mit offenem Ende.
Doch anscheinend soll die Oster- und Weihnachtszeit noch ein ganz anderes Level
erreichen. Für mich als Person, die nur wenig Berührungspunkte mit der Kirche hatte, eine
harte Umstellung, aber ich lasse mich sehr gerne auf eine neue Kultur ein. Für mich ist es
ein Zeichen von Respekt, da wir Freiwilligen auch nur zu Gast sind.
Generell hilft die Kirche vielen Familien (z.B. das Übernehmen des Schulgelds mancher
Kinder) und es gibt auch bspw. keine Kirchensteuer, die möglicherweise die Bürger
abschrecken könnte.
Die Kirche ist hier sehr beliebt und für viele ein Anhaltspunkt. Für Personen mit allerlei
Problemen ist die Kirchengemeinschaft eine Art ,,Safe-Space“. Besonders weil die
Regierung einen schlechten Ruf hat. Viele fordern Neuwahlen und es wird interessant sein,
wie sich diese Situation entwickeln wird.
Auch weil Religion hier so präsent ist, leben wir Freiwilligen mit einem Priester zusammen.
Cypi/ Cyprain ist wirklich jemand, den man gerne um sich hat. Er ist immer für Späße
zu haben, erzählt lustige Geschichten, manchmal mit unglaubwürdigen Details geschmückt,
aber er klärt uns auch viel über die örtliche Kultur auf. Ernsteren Diskussionen und Themen,
sowie persönlichen Problemen schreckt er keineswegs zurück. Jedoch hat sich die Anzahl
der Priester verdoppelt und nun wird ein zweiter (Fr. Anthony Acire) bei uns leben. Wie sich
die Dynamik ändern wird, bleibt abzuwarten. Wird der Alltag noch religiöser geprägt sein
oder gibt es eine weitere Vertrauensperson ?!


Den folgenden Part schreibe ich am 25.8 und der neue Priester Fr. Anthony Acire ist da. Ein
weiterer Priester heißt auch mehr Freunde seinerseits und mehr zusätzliche Besuche. Doch
auch nach einer kurzen Eingewöhnungsphase seinerseits ist er ein wichtiges und gern
gesehenes Mitglied der WG geworden.

Der Compound ist super, aber aktuell auch sehr ruhig besiedelt. Doch wie es mit der eigenen
Privatsphäre und Ruhe aussieht, wenn bis zu 1000 Kinder nicht weit von der eigenen Tür
spielen und fast wöchentlich Besuche kommen ist abzusehen.
Leider hat der Bau des Volunteer-Hauses noch längst nicht gestartet, aber ein eigenes
gemütliches Zimmer mit Bad gleicht dies ganz gut aus.
Der Nebenort Gulu ist klasse und versprüht einen ähnlichen familiären und wohligen Glanz
wie Münster.
Aber mit einer Einwohnerzahl von 150.000 ist dieser alles andere als klein.
Mit einer Boda-Fahrt von über 4 km und einem Preis von 2000 Schilling (ca. 50 ct) ist man
auch immer schnell in der Stadt. Es gibt etliche Cafés, welche einen tollen Rückzugsort
darstellen und durch den europäischen Stil fast schon bekannt vorkommen.
Diese eignen sich auch gut, um für meist einen fairen Preis, sich an anderen Cuisinen zu
erfreuen. Denn in so gut wie allen Teilen Ugandas gibt es eher wenig geschmackliche
Varietät.
Meist gibt es Bohnen mit Reis, Reis mit Bohnen oder Reis und als Beilage Bohnen.
Bis jetzt schmeckt es noch super, aber wir haben noch 11 spannende Monate vor uns.
Eine weitaus größere Varietät gibt es bei den Sprachen. Bei fast 50 dieser ist es schwierig,
sich auf eine festzulegen.
Doch mit Englisch kommt man hier recht weit. Diese ist auch als Amtssprache anerkannt.
Man sollte sich nur auf einen amüsanten und ungewohnten Akzent einstellen. Nur in einigen
Dörfern könnte es schwierig werden. Generell kommt man mit Acholi deutlich besser mit
allen hier in Kontakt und es kann als außenstehende Person des Öfteren unangenehm
werden, wenn man man nicht weiß, ob über einen oder mit einem gelacht wird/ werden kann. Besonders
die Jüngeren sprechen viel Acholi und am Anfang steht man meist nur daneben und versucht so
selbstbewusst wie möglich zu wirken.
Deshalb nehmen Marie und ich die ersten Acholi-Stunden und versuchen uns besser in die
Gesellschaft einzuleben. Es ist komisch, wieder im Klassenraum zu sitzen, aber es ist schön
zu sehen, wie glücklich viele Menschen sind, wenn man auch nur wenige Sätze kann.
Die Leute freuen sich, dass wir hier sind. Wir werden herzlich in die Kultur eingeführt, zu
Festen mitgenommen und niemand ist scheu uns anzusprechen oder mit uns zu quatschen.
Wir beide sind unfassbar glücklich und dankbar hier sein zu dürfen. Schon die ersten
Wochen waren super spannend und wir können es kaum erwarten, alles weitere zu erleben.
Doch das Gefühl hier zu sein, die Sonne auf seiner Haut zu spüren oder die Gerüche der
Stadt und der Märkte zu vernehmen, ist einzigartig.
Es scheint unmöglich, alles in einem Blog, in Videos oder Fotos zu erklären.
Man lebt hier einfach in einer anderen Welt, in einer schönen, aber auch sehr prägenden.


Danke fürs lesen,
Bis zum nächsten Blog

Unser Team: Moritz, Kevin (Mentorin), Fr. Acire, Fr. Cypi und Marie
Anschneiden der sehr süßen Torte bei der Willkommensfeier für Fr. Acire und uns
Unser erster Besuch in der Nursery

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